Die Verbote der Kränkung und Beschämung

1. Die Liebe und Achtung, welche wir unserem Nebenmenschen schulden, fordern von uns die zarteste Schonung seiner Gefühle. Darum verbietet uns die Tora, in seiner Gegenwart, auch nur unter vier Augen, Worte über unserer Lippen treten zu lassen, die in ihm unangenehme oder schmerzliche Gefühle erregen könnten; der Inhalt dieses Verbotes wird uns aus folgenden Beispielen klar.

2. War jemand in früheren Jahren ein Sünder und hat sich jetzt gebessert, so darf man nicht zu ihm sprechen: Gedenke deines früheren Lebenswandels, oder in bezug auf seine Eltern: Gedenke der Taten deiner Vorfahren u. dgl. Treffen ihn Leiden, so dürfen wir ihm nicht sagen: Du hast sie verdient. Selbst ohne unmittelbare Beziehung auf ihn sollen wir in seiner Gegenwart nicht Worte sprechen, die ihn kränken können, z.B. von einem körperlichen Gebrechen, das er an sich hat, einem Schandfleck in seiner Familie, wenn auch die Rede von einem andern ist. Wir dürfen ihm keine Frage vorlegen, von der wir wissen, dass er sie nicht beantworten kann.

3. Es ist eine schwere Sünde, jemandem einen Schimpf‑ oder Spott­namen aufzugeben oder ihn mit einem solchen, wenn er auch längst üblich ist und von seinem Träger nicht beanstandet wird, anzure­den, in der Absicht, ihn zu kränken. Es ist überhaupt verboten, jemanden mit beschämenden Benennungen, wenn es auch nicht auf ihn gemünzte Spottnamen sind, anzureden.

4. Alle oben angeführten Wortkränkungen sind verboten, wenn sie auch niemand außer dem Gekränkten mit anhört. Die Tora verbietet aber noch insbesondere die Beschämung eines Menschen im Beisein anderer Personen ( ), und unsere Weisen s.A. bezeichnen das als eine so schwere Sünde, dass derjenige, der sie begeht, seinen Anteil an der ewigen Seligkeit verliert.

5. Da es vielfache Wege gibt, einen Menschen mit Stachelreden in seinem Herzen schwer zu verwunden und dabei den Schein der Un­schuld zu bewahren, als ob man es nicht beabsichtigt hätte, so schreibt die Tora zu dem Verbote der Wortkränkung die bedeutungs­vollen Worte: Du sollst dich vor deinem Gott nicht fürchten, vor Gott, der ins Herz schaut und die Absicht kennt.

Und ihr sollt nicht kränken einer den andern, und du sollst dich vor deinem Gott fürchten; denn ich, Gott, bin euer Gott. 3.Mos. 25. 17.

Manche Worte sind wie Dolchstiche; nur der Weisen Zunge bringt Heilung. Spr.Sal. 12,18.

Rette mich, Gott, vor bösen Menschen, … die schärfen ihre Zunge gleich Schlangen, Gift der Ottern unter ihren Lippen haben. Ps. 140,2‑4.

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