Die gemeinsame öffentliche Gottesverehrung

1. Da der Allgegenwärtige uns überall nahe ist, so dürfen wir an jedem (reinen) Ort und in der Einsamkeit beten; dennoch enthält unser Gebet seine volle Kraft, unsere Gottesverehrung ihre rechte Weihe erst dann, wenn wir in öffentlicher Gebetsversammlung  einem dazu bestimmten Gotteshause beten. Zu einer solchen Gebets­versammlung ist die Anwesenheit von wenigstens zehn mindestens dreizehnjährigen männlichen Personen erforderlich. (Minjan);

2. Die Gründe, die dem Gebet hier höhere Bedeutung verleihen, sind folgende:

a. Die Gott geweihten Räume, in welchen uns nichts an die Alltäg­lichkeit unseres irdischen Treibens erinnert, wo uns namentlich die Anwesenheit der Tora auf den Höchsten hinweist, erheben unser Gemüt und erwecken die Andacht.

b. Das beim gemeinsamen Gebet erwachende Bewusstsein, nicht vereinsamt dazustehen, ein Glied der Gottesgemeinde Israels zu sein, die hier vereinigt steht, um Gott zu preisen und seine Hilfe zu erflehen, stärkt unser Vertrauen auf die Kraft des Gebetes, macht es inniger, andächtiger und wirksamer.

c. In dem absichtlichen Zusammentreten vieler zum Zwecke der Gottesverehrung liegt an sich schon eine Verherrlichung Gottes, denn in der Menge des Volkes zeigt sich die Herrlichkeit eines Königs. (Spr. 14,28). Aus diesem Grunde dürfen gerade die erha­bensten Lobgebete Kadisch, Kiduscha, Barachu nur in solchen Gebetsversammlungen, nie beim einsamen Gebet gesprochen werden. Bei diesen Gebeten fordert nämlich der Vorbeter die Versammlung auf, Gottes Größe und Heiligkeit zu verkünden, und die Versamm­lung folgt einstimmig diesem Rufe mit. auch das Schema Israel wird einstimmig von der Versammlung ausgerufen. 

4. Beim öffentlichen Gottesdienst werden alle Benediktionen (Brachot) vom Vorbeter laut gesprochen und von der Versammlung mit Amen begleitet; denn wer von jemand eine Bracha hört, auch außerhalb des Gotteshauses, ist verpflichtet, Amen zu sprechen. Dieses Wort bedeutet, wenn es auf ein Bittgebet folgt: es werde wahr! wenn es auf ein Lobgebet folgt: es ist wahr! Wer daher mit Andacht auf den Vorbeter hört und mit Amen auf die Benediktion einfällt, der betet gleichsam zum zweiten Mal.

5. Ausser dem Priestersegen, der ebenfalls nur beim öffentli­chen Gottesdienst gesprochen werden darf findet bei diesem noch eine Handlung von höchster Wichtigkeit statt, das Vorlesen der Tora Krichat haTora. Dadurch wird das Bethaus zum Lehr­haus, zur Schule, und bietet uns Gelegenheit, die schriftliche Tora fortwährend in unserem Gedächtnis zu erhalten und zu erneu­ern.

6. Aus diesen Gründen sind wir verpflichtet, wenn es immerhin möglich ist, unser Gebet in dem Gotteshause unseres Wohnorts mit der Gemeinde zu verrichten, und es ist eine Sünde ohne dringende Ursache zurückzubleiben, wo ein solcher Gottesdienst abgehalten wird.

Wie lieblich sind deine Wohnungen, Gott Zebaoth. Heil denen, die in deinem Hause weilen, dich preisen immerdar. Denn besser ist ein Tag in deinen Vorhöfen als sonst wo tausend; ich ziehe es vor, an der Schwelle zu stehen im Hause meines Gottes, als zu wohnen in den Hütten der Ruchlosigkeit Ps. 84, 2,5,11.

In Versammlungen segnet Gott, den Herrn, ihr vom Ursprung Israels. Ps. 68,27.

Er (Gott) rettete in Frieden mein Leben, dass mir keiner beikam, denn viele beteten mit mir; das vernahm Gott und erhörte sie. Ps. 55, 19‑20.

Meine Heiligkeit soll verkündet werden in der Mitte der Kinder Israels. 3. Mos. 22, 32.

Alles Volk versammelte sich, wie ein Mann, …. Esra, der Priester, ließ die Tora bringen vor die Versammlung von Männern und Frauen… und stellte sich auf das Gerüst von Holz, das man zu diesem Zweck gemacht hatte…. Dann öffnete Esra das Buch…. und als er es öffnete, erhob sich das Volk. Nun segnete Esra Gott, den Allmächtigen, den Großen, da fiel alles Volk ein: Amen! Amen! Darauf las man aus dem Buche der Tora Gottes deutlich vor. Nech. 8, 1‑8.

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